Judy Garland – Over the Rainbow

Judy Garland – Over the Rainbow

Triggerwarnung: Psychische Probleme, Abhängigkeit, Trauma, Essstörung und (Suizid)

Judy Garland gilt als Jahrhundersängerin. Ihre Musik berührt noch heute die Herzen vieler Menschen. Doch nicht nur mit ihrer kraftvollen Alt-Stimme vermochte sie die Menschen zu begeistern, auch als Schauspielerin stand sie von Kindesbeinen an vor der Kamera. Rund um war Judy Garland eine Entertainerin, die ihr Publikum in Ihren Bann ziehen konnte. Doch hinter dem Scheinwerferlicht, der Liebe der Fans und der Verehrung, war ihr Leben eine einzige Berg- und Talfahrt.

Kindheit, Jugend & MGM

Judy Garland, geboren am 10. Juni 1922 als Frances Ethel Gumm, erlag schon früh dem Zwang der Perfektion des goldenen Hollywood. Nachdem Judy zusammen mit ihren Schwestern und der Familie durch die Vereinigten Staaten, als „Gumm Sisters“, getourt war, unterschrieb sie 1935 bei der Filmproduktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) ihren ersten Vertrag. Louis B. Mayer, einer der Chefs von MGM nahm Judy schnell unter seine Fittiche. Die Züchtigung, der sie täglich ausgesetzt war, zwang die jugendliche Judy jedoch schnell in die Knie. Das zarte, schüchterne Mädchen wurde alsbald gezwungen Appetitzügler zu nehmen, um möglichst sehr lange sehr dünn zu bleiben. Diese „Diät“ aus Tabletten, Kaffee, Brühe und 80 Zigaretten am Tag machte ihrem Körper sehr zu schaffen. Zeit Ihres Lebens wird Judy Garland Medikamenten- und Nikotinabhängig bleiben. Im späteren Leben kommt eine Alkoholabhängigkeit hinzu. Um überhaupt ein wenig Schlaf zwischen den Dreharbeiten zu bekommen, werden ihr zusätzlich noch Amphetamine und Barbiturate verabreicht, die sie stimulieren und vor allem „funktionieren“ lassen sollen. Diese Methoden waren zur Zeit des „goldenen Hollywood“ der 20er, 30er und 40er Jahre mehr als üblich.

„Wenn wir an einer Produktion arbeiteten, ließ man uns Tag und Nacht ohne Pause schuften. Man gab uns Aufputschtabletten, damit wir uns, obwohl wir völlig ausgelaugt waren, noch länger auf den Beinen halten konnten. Dann brachte man uns in die Krankenstation auf dem Studiogelände und stopfte uns mit Schlaftabletten voll. Mickey (Rooney) streckte sich auf dem einen Bett aus, ich auf dem anderen, und dann lagen wir da wie tot. Nach vier Stunden wurden wir wieder geweckt, und man gab uns erneut die Aufputschpillen, damit wir weitere zweiundsiebzig Stunden ohne Unterbrechung vor der Kamera stehen konnten. Die meiste Zeit erlebten wir unsere Umgebung wie in Trance, doch ich muss sagen, dass wir uns sehr schnell an diesen Zustand gewöhnten.“

Judy Garland: There’ll Always Be An Encore. McCall’s; Januar 1964,
zitiert aus: Judy Garland von James Juneau, Wihelm Heyne Verlag 1980, S.58

The Wizard of Oz

1938 wurde Judy als Dorothy für den MGM Film „The Wizard of Oz“ gecastet. Die Rolle der Dorothy sollte ursprünglich an die Schauspielerin Shirley Temple gehen, doch die Firma bei der Temple unter Vertrag stand, lehnte das Angebot ab. Das Regime von MGM wurde auch während der Dreharbeiten zu „The Wizard of Oz- dt. der Zauberer von Oz“ nicht leichter. Es wurde immer mehr von Judy verlang und Louis B. Mayer scheute auch nicht vor körperlicher Züchtigung zurück.
Um die damals 17 Jährige jünger aussehen zulassen und ihre weiblichen Kurven zu verstecken, wurde zusätzlich zu der „Diät“ ein Sportplan für Judy entwickelt, dem sie sich zu „unterwerfen“ hatte. So standen neben der täglichen Schauspielarbeit vor der Kamera auch mehrstündige Sporteinheiten mit Schwimmen und Tennisspielen auf dem „Stundenplan“ der jungen Schauspielerin. Zusätzlich zum Sportzwang wurden ihr die Brüste abgebunden, um die 17-Jährige noch mehr „zu verjüngen“.
Erst Jahrzehnte später wurden nicht nur die drastischen Maßnahmen der Produktionsfirma an den Schauspieler:innen aufgedeckt, auch mehrere Unfälle hatte MGM zu verantworten. Die kruden Methoden von MGM im Umgang mit Judy, würden sie ihr Leben lang traumatisieren. Doch trotz aller berechtigter Kritik an MGM und der Produktion, komme ich nicht umhin, die Darbietung der Schauspieler:innen und diese wirklich fantastische Welt „Oz“ zu lieben. „The Wizard of Oz“ ist und bleibt einer meiner liebsten Musicalfilme. Judy Garlands Leistung als Dorothy, Oz vor der „bösen“ Hexe des Westens gerettet zuhaben, begeisterte auch die Jury der Academy Awards. Im darauffolgenden Jahr gewann sie als bis dato die jüngste Schauspielerin einen der begehrten Preise..

Meet Me In St. Louis und weitere Filme

Nach ihrem weltweiten Erfolg als Dorothy in „The Wizard of Oz“ wurde Judy Garland für weitere Musicalfilme von MGM gebucht. Darunter auch der 1944 erschienene Film „Meet Me in St.Louis“ bei dem Garland alleine drei Solo-Lieder für sich beanspruchen konnte. Das Lied „The Trolley Song“ wurde zum Hit. Auch Garlands „Have Yourself a Merry Little Christmas“ wurde im Laufe der Jahrzehnte mehrfach gecovert. Die berühmteste Version ist wahrscheinlich jene von Frank Sinatra.
Während der Dreharbeiten lernte Sie ihren späteren Ehemann Vincente Minnelli kennen. 1946 kam die gemeinsame Tochter Liza zur Welt. Liza Minnelli ist auch heute noch ein erfolgreicher Star in der Film- und Musikbranche und musste sich zu keiner Zeit hinter ihrer berühmten Mutter verstecken. Das Glück von Judy und Vincente sollte jedoch an Judys Tablettenabhängigkeit zerbrechen. Er sah keinen anderen Ausweg als die Scheidung im Jahr 1951.
Judy spielte neben „Meet Me in St. Louis“ auch noch beispielsweise in den MGM Produktionen von „In The Good Old Summertime“ und „Annie Get Your Gun“. In Folge ihrer Abhängigkeit, durch MGM Chef Mayer gefördert, litt Judy immer wieder unter Nervenzusammenbrüchen und Depressionen. Bei der Produktion von „Annie Get Your Gun“ litt Judy Garland an mehreren Nervenzusammenbrüchen, daraufhin wurde sie fristlos gekündigt. 
Während ihrer gesamten Zeit bei MGM kam es immer wieder zu Konflikten.  Eine Auseinandersetzung am Set bedeutete das Aus ihrer Rolle in dem Film „The Barkleys on Broadway„. Während der Dreharbeiten zum Film „Summer Stock“, wo Judy an der Seite von Gene Kelly spielt, war ihre Verzweiflung so groß, dass sie einen Suizidversuch unternahm. Es war bereits ihr zweiter Versuch. Im Jahr 1950 trennten sich jedoch endgültig die Wege von MGM und Judy Garland, nachdem die damals 28 Jährige von MGM wegen „Unzuverlässigkeit“ gekündigt wurde. Insgesamt spielte sie in 28 MGM Filmen.

Späte Karriere und Erfolge

Das Aus bei MGM bedeutete auch, dass ihre finanzielle Einnahmequelle erschöpft war und so widmete sich Judy ihrer Gesangskarriere und war außerdem regelmäßiger Gast bei der Radiosendung des Sängers und Schauspielers Bing Crosby. Nach dieser erfolgreichen Übergangszeit ging sie auf Tournee in England und Irland. Im Anschluss an ihre erste Tournee feierte Judy ihr großes Hollywood Comeback im Jahr 1954 im Film „A Star is Born„. Nach diesem von den Kritiker:innen gelobtem Film war sie auch wieder regelmäßiger Gast in Fernsehsendungen.
Die New Yorker Carnegie Hall würde Judy Garland jedoch zu ihrem bisher größten Erfolg verhelfen. Ausverkaufte Konzerte, jubelnde Fans und lobende Kritiker:innen wurden ihre ständigen Begleiter. Das gleichnamige und live aufgenommene Album „Judy at Carnegie Hall“ erhielt Goldstatus und wurde mit mehrere Grammys ausgezeichnet. Es folgte ihre eigene TV Sendung „the Judy Garland Show“ wo unter anderem ihre Tochter Liza Minelli zu Gast war. Doch auch Freunde und Showgrößen gaben sich die Ehre. Unter ihnen Frank Sinatra und Barbra Streisand.
Im Jahr 1963 wurde die Sendung jedoch abgesetzte und Judy Garland ging abermals auf Tournee. Diesmal nach Australien. Anfänglich von den Massen begeistert gefeiert, zerfetzte die Presse Judy Garlands Darbietung mit der Zeit jedoch. Privat sah es auch nicht rosiger aus. Nachdem bereits ihre zweite Ehe zerbrochen war, kam es auch zwischen ihr und ihrem dritten Ehemann Sidney Luft immer mehr zu Spannungen. Mit Luft hatte Judy noch zwei Kinder; Joey und Lorna.
Ihr letzter Film „I could go on singing“ – dt. Die Bretter die die Welt bedeuten“ in dem sie mutig Teile ihres eigenen „Versagens“ spielt, wurde 1963 gedreht.
Ein Leben geprägt von Publikumserfolge und Akklamationen auf der einen Seite, gescheiterte Ehen, finanzielle und körperliche Zusammenbrüche, Tabletten- und Alkoholsucht auf der anderen ließ sie zunehmend immer häufiger verzweifeln.

London, Tod & Vermächtnis

London wurde bereits nach ihrem letzten Film zur neuen Heimat. Hier gab Judy im Jahr 1968 im Londoner Cabaret Club „Talk of the Town“ noch eine 5 wöchige Konzertreihe. Wie schon zuvor in Hollywood sollte diese Konzertreihe ihr Comeback werden. Ihre Londoner Konzerte sollten ebenso wie ihre Konzerte in der New Yorker Carnegie Hall zu ihren besten und berühmtesten Auftritten zählen.
Doch auch der Glanz Londons und das fluoreszierende Scheinwerferlicht schafften es nicht, Judys Dämonen zu vertreiben. Im März 1969 heiratete Judy in fünfter Ehe den Clubbesitzer Mickey Deans. Das Glück, dass beide ineinander gefunden hatte, sollte nicht lange wehren, denn die vielen kräftezehrenden Jahre bei MGM, ihre Abhängigkeit von Aufputsch- und Schlafmitteln, ihre Essstörung sowie eine schwere Hepatitis im Jahr 1969 forderten schließlich ihren Tribut. Judy Garland starb am 22. Jni 1969 an einer versehentlichen Überdosis Secobarbital, einem Schlafmittel aus der Gruppe der Barbiturate. 5 Tage später wurde Sie in New York beigesetzt. Im Jahr 2017 wurde sie auf den Hollywood Forever Cemetary in Los Angelos überführt.

Judy Galands Vermächtnis umfasst mehrere Biografien, darunter auch ein Memoir ihrer Tochter Lorna Luft sowie die Verfilmung ihrer Zeit in London aus dem Jahr 2019 mit Rene Zellweger als Judy im gleichnamigen Film. Neben ihrem musikalischem Vermächtnis gilt Judy Garland noch zu Lebzeiten als Ikone der LGBTQIA+ Bewegung Amerikas. So wurde das träumerische und gleichzeitig schwere, hoffnungsvolle „Somewhere over the Rainbow“ zur inoffizielle Hymne der Bewegung. Judy selbst sagt in einem Interview, auf die Frage wie sie dazu stünde, das viele Homosexuelle ihre Konzerte besuchen: „I couldn’t care less. I sing to people!”
Ein Zitat des Esquire Magazines aus dem Jahr 1969 macht noch einmal deutlich, weshalb Judy Garland als Ikone der Schwulenszene betitelt wird.
„Homosexuals understand suffering. And so does Garland“ – Esquire magazine, 1969

Auch 52 Jahre nach ihrem Tod gehört Judy Garland weiterhin zu einer der größten Sänger*innen und Schauspieler*innen.
Zu hoffen ist, dass Sie es über den Regenbogen geschafft hat.

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